Vom Wachsen der Sozialindustrie oder wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe!

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Der interessierten Öffentlichkeit wird anhand zweier Anträge ein Beispiel gegeben, wie Lokalpolitik in der Bezirksverordnetenversammlung unseres Bezirkes der immer weiter ausufernden Sozialindustrie zuarbeitet, einer echten Problemlösung jedoch ausweicht.

Am 22.06.2017 erschien ein Antrag „Streetwork in den Marzahn-Hellersdorfer Einkaufscentern“
Einreicher: Fraktion der SPD
DS 0348/VIII:

Dieser Antrag war schon in der Ursprungsfassung ein regelrechtes Wortungetüm. Er wurde in den Jugendhilfeausschuss überwiesen.
Dort wurde beraten (18.07.2017) und beraten (13.09.2017) und beraten (27.09.2017) und umformuliert (18.10.2017). Folgender Wortlaut einschließlich eines neuen Drucksache-Betreff entstand, der Anschaulichkeit wegen hier in vollem Umfang wiedergegeben:
Einwände der AfD wurden überstimmt.

Jugendliche an kommerziellen Orten im Bezirk – Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit stärken

Die BVV möge beschließen:

Dem Bezirksamt wird empfohlen, eine Bedarfsanalyse zur „Nutzung kommerzieller Räume im Bezirk Marzahn-Hellersdorf durch Jugendliche“ durchzuführen. Folgende Fragestellungen könnten dabei eine wesentliche Rolle spielen:

  1. Was ist die Faszination für Jugendliche, sich in kommerziellen Räumen aufzuhalten?
  2. Woher kommen die Jugendlichen (z.B. Marzahn-Hellersdorf, andere Bezirke, Brandenburg)?
  3. Gibt es Konflikte mit den Einkaufscentern (Gewerbetreibende, Security,etc.)?
    Wenn ja, welche?
  4. Welche Wünsche haben Jugendliche, die von den kommerziellen Räumen nicht erfüllt werden? 
  5. Welche Perspektiven haben die Eigentümer kommerzieller Orte auf die Nutzung von Einkaufscentern durch Jugendliche?

Dem Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf wird empfohlen, die Perspektiven der Expertise der Straßensozialarbeit einerseits und die der Akteure der bezirklichen Einkaufscenter andererseits bei der Analyse zu nutzen. Im Mittelpunkt stehen die Jugendlichen selbst.

Insbesondere drei Standorte sollten bei der Studie berücksichtigt werden:

  • Eastgate Berlin
  • Biesdorf Center
  • Marktplatzcenter Helle Mitte

Einschlägige Ergebnisse in Kommunen durchgeführter Jugendstudien zur Nutzung kommerzieller Räume sowie deren Beteiligung und Anziehungskraft auf Jugendliche sollten bei der Konzipierung berücksichtigt werden.

Dem Bezirksamt wird empfohlen die Studie durch einen externen Anbieter durchführen zu lassen und mit den Akteuren aus – Streetwork und mobile Jugendarbeit – zusammenzuarbeiten. Mit diesem Ansatz können die langjährigen Erfahrungen der Expertinnen und Experten genutzt werden.

Zur Umsetzung der Studie muss aufgrund fehlender Mittel eine separate Finanzierung ausfindig gemacht werden. Die Zusammenarbeit mit dem MHWK, die Entwicklung eines über den Netzwerkfonds finanzierten Projektes oder aber die Finanzierung über Fördermittel seitens der Senatsverwaltung sind dabei in Erwägung zu ziehen. Auch die Nutzung des Genossenschaftsfonds kann in Betracht gezogen werden.

Wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden könnte der Projektansatz durch die im Bezirk verortete Alice-Salomon-Hochschule.

Zwischenberichte sollten dem Jugendhilfeausschuss in regelmäßigen Abständen zur Verfügung gestellt werden.

Soweit der Antrag. Uff!
Bitte beachten Sie die Formulierung im Konjunktiv (sollte, könnte) sowie die Stichworte „nachhaltige Finanzierung“ , „Eastgate„, „externen Anbieter“ und „Alice-Salomon-Hochschule“ , der hiesig „verorteten“ Hochschule für Sozialpädagogik. Sogar der Genossenschaftsfond soll hierfür angezapft werden!

Dieser SPD-Antrag wurde am 23.11.2017 von der BVV mit den Stimmen der SPD, CDU und Linke mehrheitlich beschlossen.
Gegen die Stimmen der AfD! Denn wir meinen, kurz gesagt, „Laßt die Jugend einfach mal in Ruhe und pumpt nicht noch mehr Steuergeld in die Sozialindustrie! Die Center haben Sicherheitspersonal. Ansonsten ist die Polizei zuständig.“
Aber nein!
Das Bezirksamt, die Senatsverwaltung und die Alice-Salomon-Hochschule (ASH) sind vermutlich schon nah dran, eine (nachhaltige) Lösung zu finden, wie man Geld an die ASH geben kann, um Antworten auf die oben genannten fünf Fragen zu erfahren.
(Zur Erläuterung: MHWK heißt Marzahn-Hellersdorfer Wirtschaftskreis.)

Diese Geschichte geht weiter mit einem Antrag der AfD.

Die Frage Nummer 3 trifft den eigentlichen Kern und bewegt die Marzahn-Hellersdorfer. Im Laufe der folgenden Monate traten Bürger an Bezirksverordnete der AfD heran und schilderten Probleme in einem der oben genanten Einkaufszentren. Die AfD-Bezirksverordneten gingen dem nach. Wir sprachen in dem Center mit Gewerbemietern und Angestellten und formulierten diesen schlichten Antrag an die BVV:
DS 0842/VIII:
Dem Bezirksamt wird empfohlen, den Beschwerden von Gewerbetreibenden und Gästen in den gastronomischen Einrichtungen des Eastgate nachzugehen. Es wird auf die besondere Aggressivität und Rücksichtslosigkeit von Jugendlichen mit Migrationshintergrund hingewiesen.

„Aua, die haben ,Jugendliche mit Migrationshintergrund` gesagt!“
Auch dieser Antrag ging durch die Ausschüsse, wurde beraten, geändert und die Worte „mit Migrationshintergrund“ wurden abgewählt.
So weit, so gut.
Inzwischen wußte sowieso jeder, daß die Probleme von einer etwa 40köpfigen Gruppe „unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge“, darunter auch einige Deutsche, ausging, die in Berlin von Center zu Center ziehen.

Am 26.04.2018 wurde der AfD-Antrag in der BVV diskutiert. Nun geschah das Wunder! Plötzlich glaubte niemand von den anderen Fraktionen mehr an die Wirkmacht der Sozialarbeit. „Sollen die mit Wattebällchen werfen?“ und „Das Jugendamt ist nicht das ausführende Organ des Bezirksamtes“ und so weiter und so fort.
Wir staunten nicht schlecht, denn dies waren einst unsere Argumente, die wir gegen den SPD-Antrag vorgebracht hatten. Die Rollen waren vertauscht, es war alles genau umgekehrt.
Wir lehnten uns zurück, hörten zu und schmunzelten.
Doch lesen Sie, was der Tagesspiegel hierüber schrieb:

Die Probleme sind selbstredend überhaupt nicht geklärt. Das nicht genannte Einkaufscenter stellte das freie WLAN ab. Der Centermanager wurde in den Jugendhilfeausschuss eingeladen, sagte aber sehr kurzfristig wegen familiärer Probleme ab. Telefonierte jedoch vor der Sitzung mit dem Ausschussvorsitzenden. Dieser konnte den Ausschuss beruhigen. Es gäbe dort nämlich gar keine Probleme.
Wer es glaubt, wird selig!
Diese Probleme werden weiterhin bestehen, solange unser Bezirk, unsere Stadt, unser Land für jedermann auf  unserem Globus ohne Grenzkontrollen frei zugänglich bleibt.

Nachtrag 26.09.2018
Der Jugendhilfeausschuß lehnte den Antrag 0842/VIII (AfD) in der Ursprungs- und in der geänderten Fassung gegen die Stimmen der AfD ab.