Bürgerhaushalt abschaffen!

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Bernd Pachal

Der Anteil unseres Bezirkes am Landeshaushalt Berlin beträgt etwa 650 Millionen Euro im Jahr. Um der allseits umgreifenden Politikverdrossenheit zu begegnen, ersann man einst den Bürgerhaushalt. Dieser umfaßt 200.000 Euro (Verhältnis: 650 zu 0,2 Millionen).
Der Bürgerhaushalt ist sehr arbeitsintensiv. Die Bürgerbeteiligung geht trotz leichter Steigerung gegenüber den Vorjahr dennoch gegen Null.
Die Bezirksverwaltung ist personell überaltert und unterbesetzt. Pflichtaufgaben wie z.B. die Auszahlung des Unerhaltsvorschusses werden nicht geschafft, die Schulbauoffensive kommt wegen Personalnot nicht voran – aber die Verwaltung arbeitet mit Hochdruck am Bürgerhaushalt! Die BVV-Ausschüsse machen schon mal Sondersitzungen, um den Bürgerhaushalt zu behandeln! Es wird geredet und protokolliert – um viele kleine Einzelposten, aber insgesamt um nur 200.000 Euro.
Doch nebenbei fließen mal eben so Sondermittel in Höhe von 22 Millionen Euro aus dem Programm SIWANA an der BVV vorbei. Hier haben die Bezirksvorordneten nicht, und der Bürger schon gar nicht, mitzureden!

Die Fraktion der AfD schaute dem emsigen Treiben lange fassungslos zu, um endlich zu begreifen, was es ist: Ein Demokratie-Surrogat durch Pseudobeteiligung!

Die AfD-Fraktion beantragte (DS 0884/VIII):

Die BVV möge beschließen:
Das Bezirksamt wird ersucht, alle Arbeiten am laufenden Bürgerhaushalt einzustellen und keinen neuen Bürgerhaushalt mehr aufzustellen.

Begründung:

  1. Der Bürgerhaushalt bindet personelle Ressourcen der Bezirksverwaltung in erheblichem Ausmaß. Die Vorschläge zu dem Bürgerhaushalt müssen erfragt, erfasst, kategorisiert, auf Machbarkeit bewertet, anschließend zur Auswahl gestellt werden. Diese Arbeit leistet die Bezirksverwaltung trotz Personalknappheit sowie berlinweit höchstem Altersdurchschnitt und damit einhergehenden hohen Krankenstand zusätzlich zu ihren originären Aufgaben. Die Gewinnung neuen Personals ist für das Bezirksamt angesichts des Tarifgefälles und des allzeit erwähnten Fachkräftemangels eine Herausforderung. Ein umfangreiches Schulsanierungsprogramm soll in den nächsten Jahren durchgeführt werden. Die Einstellung des Bürgerhaushaltes erbringt eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit unserer Verwaltung durch „Verschlankung“, durch Abwurf von „Ballast“!
  2. Der mit Einführung des Projektes „partizipative Haushaltsplanaufstellung, -entscheidung und -kontrolle im Bezirk Marzahn-Hellersdorf“ erhoffte Effekt ist nicht eingetreten. Die Bürgerbeteiligung liegt im einstelligen Prozentbereich und entstammt zu einem Drittel Schulklassen und Kindergartengruppen, welche in die Abstimmungslokale geleitet werden, um die Projekte ihrer jeweiligen Einrichtung zu unterstützen. Dies ist dem Abschlussbericht der Public One GmbH (Evaluationsbericht) leicht zu entnehmen. In Einzelfällen kommt es sogar zum Missbrauch. Durch Akteneinsicht wurde bekannt, dass der Angestellte der Arbeitseinheit Polis einen Bewohner einer Unterkunft für Flüchtlinge zur Einreichung des Bürgervorschlag „Errichtung eines Kricketfeldes“ gewonnen habe.
  3. Die meisten Berliner Bezirke schafften die Bürgerhaushalte bereits wieder ab. In wenigen Bezirken werden Bürgerhaushalte nur noch in sehr vereinfachter Form geführt.

Listigerweise wird die umfangreiche Begründung auf der Internetseite des Bezirksamtes gar nicht erst dargestellt, sondern lediglich der kurze Antragstext. Der Antrag wurde in Ausschüssen pflichtgemäß aufgerufen, um ihn ebenso pflichtgemäß abzuwählen.
Das Parteienkartell hält weiterhin an seinem Demokratie-Spielzeug fest. Die nächste BVV wird dem Antrag den Garaus machen, indem sie ihn mit den Stimmen der verbündeten Fraktionen ablehnt.