Als ich ein kleiner Junge war

Liebe Leser, anlässlich des Jahrestages des Mauerfall erreichen uns des öfteren Briefe von Menschen, die ihre Erlebnisse aus dieser Zeit schildern.

Als ich ein kleiner Junge war….

…. wollten meine Eltern vermeiden, dass ich ähnlich wie mein Vater für seine Weigerung zu Zeiten der Nazidiktatur die braune Uniform der Pimpfe zu tragen, durch eine Ablehnung der Jungen Pioniere für mein gesamtes Leben Nachteile im ersten und einzigen deutschen Arbeiter- und Bauernstaat erleiden müsse. Also musste ich mit 10 oder 11 Jahren der Kampfreserve der SED beitreten. 

Stolz mussten wir unser Pioniertuch tragen, zu schulischen Anlässen und auch im gesellschaftlichen Leben, dazu eine weiße Bluse mit dem Emblem der Jungen Pioniere.

Nun trug es sich zu, dass wir Schüler uns an einem warmen Tag aus Gaudi mit Wasser bespritzten. Jeder Brillenträger weiß, wie die Welt durch eine Brille mit bespritzten Gläsern ausschaut.

Als Pionier war ich natürlich pfiffig, anstatt das weiße Hemd beim Putzen meiner Brille zu beschmutzen und mir Mutters Zorn einzuhandeln war mir das blaue Pioniertuch recht.

Aber o Schreck ein eifriger SED Kader beobachtete mich bei dieser Entweihung des Symbols der Jungen Pioniere. Einer ersten Standpauke am Tatort wurde meine ungeheuerliche Missetat bei einem Fahnenappell vor der gesamten Schule bekannt gemacht. 

Die Schüler und ich im Besonderen wurden belehrt, dass die Konterrevolution überall lauert und ich durch diesen Frevel die kommunistische Weltrevolution und den Weltfrieden in Gefahr gebracht hatte.

Ja, so war das damals unter den Kommunisten und heute bin ich glücklich und stolz, dass ich damals mit meiner unbedachten Handlung schon als kleiner Junge einen Sargnagel für diese SED Verbrecher eingeschlagen habe.