BVV-Eröffnungrede Dr. Sergej Henke

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Sehr geehrte Bezirksverordnete,          

wenn es in diesem Raum niemanden gibt, der älter ist als ich – ich bin Jahrgang 1940 –, dann ist es laut unserer Geschäftsordnung an mir, die konstituierend Sitzung der neuen Wahlperiode zu eröffnen.

Ich habe mich im Vorfeld dieser Sitzung gefragt, was ich wohl heute sagen sollte. Das erste, was mir dabei einfiel, ist die Frage, die jeder von uns beim Betreten dieses Raumes an sich selbst richten sollte: Warum bin ich hier? Was will ich? Was ist mein Ziel?

Die meisten von uns würden darauf antworten: Ich bin Kommunalpolitiker, ich will kommunale Politik betreiben. Aber was bedeutet eigentlich dieses große Wort „Politik“? Sehen Sie es, meine Damen und Herren, mir nach, wenn ich einen Mann zitiere, der es wissen müßte: Politik, schrieb Aristoteles, ist Beratung der Bürger über gemeinsame Angelegenheiten. Genau das werden wir in den nächsten fünf Jahren gemeinsam tun. Wir werden uns über unsere Angelegenheiten beraten, daß heißt, uns um die Sorgen und Nöte der Bürger, die uns gewählt haben, kümmern. Nur wenn wir diese Aufgabe nie aus den Augen verlieren, werden wir dem Auftrag unserer Wähler gerecht werden.

Nun geht es in der Kommunalpolitik selten um große Themen und manch einer unserer neuen Kollegen wird die zu beratenden Fragen kleindimensioniert finden. In der Tat sind die in unserer Kompetenz liegenden Problemlagen nicht von weltbewegender Dimension. Dafür liegen die meisten von ihnen direkt vor der Haustür und beeinflussen am direktesten die Lebensqualität der Menschen.
Von allen drei Ebenen unseres politischen Systems, Bund, Land, Kommune, ist die kommunale Ebene den Bürgern besonders nah. Und deshalb bildet sie die Basis unseres demokratischen Systems. Nirgendwo ist die Demokratie so unmittelbar erlebbar wie in der Kommunalpolitik. Auf keiner anderen Ebene sind die Menschen von unseren Entscheidungen so unmittelbar betroffen. Und auf keiner anderen Ebene können sie die Früchte Ihres Engagements so schnell zu sehen bekommen.

Die Kommunen verwalten sich grundsätzlich selbst. Nur das, was die Kommune nicht eigenverantwortlich stemmen kann, wird auf einer höheren Ebene organisiert. Dieses Selbstverwaltungsprinzip, das in der Fachsprache Subsidiaritätsprinzip heißt, hat Verfassungsrang: Er ist in Artikel 28 des Grundgesetzes wie folgt formuliert:

„Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.“

Eigenverantwortlich dürfen wir handeln, wenn es um folgende sechs Bereiche geht:

die Finanzhoheit;

die Personalhoheit;

die Gebietshoheit,

die Planungshoheit und

die Organisationshoheit.

 

Abschließend möchte ich in aller Kürze auf Dinge hinweisen, die wir künftig im Interesse einer konstruktiven Zusammenarbeit vermeiden sollten. Wir sollten nicht zu viel moralisieren, nicht die konkreten Probleme ideologisch überfrachten und unsere Emotionen besser kontrollieren. Ich spreche hier über unsere Debattenkultur, die in den zurückliegenden Jahren häufig zu wünschen übrigließ.

Der Philosoph Niklas Luhmann warnt mit Recht vor einem zu starken Einwirken der Moral auf die Politik. Die Kommunalpolitik, die unsere Aufgabe ist, ist Sachpolitik, und Sachpolitik darf moralisch nicht überhöht werden. Die Moral kennt bekanntlich keine Kompromisse, ohne die in der Politik nichts läuft. Darauf hat in seiner Eröffnungsansprache auch der Alterspräsident des Bundestages Wolfgang Schäuble mit Nachdruck hingewiesen: „Konsens… wird in diesem Haus auch zukünftig nicht die Regel sein, und das sollte es auch nicht. Hier ist der Ort, an dem wir streiten dürfen, an dem wir streiten sollen, aber fair und nach Regeln, leidenschaftlich, aber auch mit der Gelassenheit, die einer erregten Öffentlichkeit Beispiel geben kann.“ Das Parlament ist „ein Raum, in dem die Vielfalt an Meinungen offen zur Sprache kommt. Das wird noch wichtiger, weil in unserer Gesellschaft die Bereitschaft sinkt, gegensätzliche Standpunkte auszuhalten, Widerspruch überhaupt zuzulassen …, um von sich fernzuhalten, was dem eigenen Denken und Empfinden widerspricht. Ohne Kompromisse geht es nicht, erst recht nicht bei Mehrheitsverhältnissen wie bei dieser Wahl“.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.